Ein brisantes VfGH-Urteil könnte Österreichs Immobilienmarkt auf den Kopf stellen. Mieter können sich zu viel bezahlte Miete in Milliardenhöhe zurückholen. Wir erklären, wie du vorgehst und worauf du achten musst.
Es ist das Top-Thema der Woche in Österreich: Eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) sorgt für große Aufregung in der Immobilienbranche. Denn: Vermieter könnten bald Mieterhöhungen vieler Jahre zurückzahlen müssen.
Der Auslöser: Ungültige Mietklauseln
Grund dafür ist ein Urteil des VfGH vom vergangenen Freitag. Der Gerichtshof hat bestimmte Wertsicherungsklauseln – also automatische Mieterhöhungen – für ungültig erklärt. Damit wurde ein Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) bestätigt. Betroffen sind Mietverträge zwischen gewerblichen Vermietern und Privatpersonen.
Hunderttausende Mieterinnen und Mieter könnten sich schon bald ihr Geld, also die zu viel bezahlte Miete, zurückholen. Die Immobilienbranche befürchtet Rückzahlungen in Milliardenhöhe. Letztlich bedeutet das Urteil, dass Mieten nicht erhöht werden dürfen und der Mietzins von vor 25 Jahren quasi eingefroren wäre. Martin Spitzer, Professor für Zivilrecht an der Universität Wien, nennt das VfGH-Erkenntnis „volkswirtschaftlichen Brennstoff“.
Politik unter Druck: Die nächsten Schritte
Klar ist: Die Politik ist nun am Zug. Wird das Gesetz nicht angepasst, verlieren Immobilien rasch an Wert. Die Opposition mahnt jedoch, dass nicht nur die Interessen der Vermieter berücksichtigt werden dürfen. Im Regierungsübereinkommen ist man bisher vage geblieben. Geplant ist eine Verjährung bei den Wertsicherungsklauseln.
Am Mittwoch war Daniela Holzinger-Vogtenhuber, frühere Nationalratsabgeordnete und jetzige Obfrau des Verbraucherschutzvereins, Gast im Ö1-Morgenjournal. Sie wies auf einen entscheidenden Satz im Mietvertrag hin: „Wenn drinnen steht, dass in den ersten zwei Monaten nach Vertragsabschluss keine Erhöhung stattfinden darf, dann ist dieser Vertrag rechtens“, so die Expertin. Fehlt dieser Satz, stehen die Chancen auf eine Rückzahlung gut.
Ihr Verein hilft Betroffenen, indem ein Aufforderungsschreiben an den Vermieter aufgesetzt wird. „Man beschreitet nicht sofort den Klagsweg“, so Holzinger-Vogtenhuber. Es liege auch im Interesse des Vermieters, dass der Mietvertrag rechtswirksam ist.
Juristen schlagen Alarm: Enormes Bedrohungspotenzial
Der Jurist Reinhard Pesek, der mehrere gewerbliche Vermieter vertritt, spricht von einem „enormen Bedrohungspotenzial“. Es gebe bereits erste Entscheidungen, wonach Mietern tatsächlich für derart lange Zeiträume Rückforderungen zugesprochen wurden. Das allein sei „schon schlimm genug“. Aber auch, dass der ursprüngliche Mietzins „versteinert“ sei, missfällt dem Juristen.
Die Dimension des VfGH-Erkenntnisses ist noch nicht abschätzbar, denn die gelebte Praxis in Verträgen war über Jahrzehnte eine andere. „Die Mietverträge, die bis ungefähr 2023 abgeschlossen sind, da wage ich zu behaupten, dass es wahrscheinlich in mehr als 99 Prozent der Fälle nicht der Fall ist, dass die zweimonatige Sperrfrist ausdrücklich in der Klausel ausgeführt wurde“, so Pesek.
Dein Geld zurückholen: Die Voraussetzungen
Gilt das Urteil auch für mich? Hier sind die entscheidenden Voraussetzungen:
- Dein Vermieter muss ein Unternehmen sein: Das Konsumentenschutzgesetz muss greifen. Dazu zählen etwa Versicherungen und Banken, aber auch die Stadt Wien. Private Vermieter sind vom VfGH-Urteil nicht betroffen.
- Mustervertrag verwendet: Für den Vertragsabschluss muss ein Mustervertrag (auch bekannt als Vertragsformblatt oder Formularmietvertrag) verwendet worden sein. Das ist eine vorgefertigte Vereinbarung, bei der du als Mieter typischerweise kein oder kaum Mitspracherecht hattest.
- Fehlende Sperrfrist-Klausel: Der Vertrag muss eine Wertsicherungsklausel enthalten, in der eine Mieterhöhung in den ersten zwei Monaten nach Abschluss nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird. Das bedeutet, es darf darin nicht explizit darauf hingewiesen werden, dass innerhalb der ersten zwei Monate die Klausel nicht greift.
Sind all diese Voraussetzungen erfüllt, kann die gesamte Wertsicherungsklausel ungültig sein – und du hast gute Chancen, dir zu viel gezahlte Miete zurückzuholen.
Das VfGH-Urteil hat das Potenzial, den österreichischen Immobilienmarkt nachhaltig zu verändern. Mieter, die unter die genannten Kriterien fallen, sollten aktiv werden und ihre Verträge prüfen lassen. Es könnte sich lohnen!
Quelle „heute.at“
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