Ein Fall, der aufhorchen lässt: Ein voll integrierter 27-Jähriger soll Österreich verlassen, obwohl er arbeitet und keine Sozialleistungen bezieht. Seine Nachbarn kämpfen für ihn.
„Herr S., der keine sozialen Mittel des österreichischen Staates ausgenutzt oder in Anspruch genommen hat und durch sein erarbeitetes Gehalt, wie jeder von uns, Steuern und seinen Sozialversicherungsbeitrag gezahlt hat, soll jetzt Österreich verlassen!“ – Alexander T., der Nachbar eines 27-jährigen Inders aus Niederösterreich, ist fassungslos. Der Fall des jungen Mannes, der seit Dezember 2024 in Österreich lebt, wirft Fragen zur Integrationspolitik auf.
Ehrgeiz, Fleiß, Klugheit – der Mann mit dem passenden Namen
Der Vorname von Herrn S., dessen Bedeutung im Sanskrit „ehrgeizig“, „glückverheißend“ oder „klug“ ist, scheint seine Persönlichkeit perfekt widerzuspiegeln. „Alle diese Attribute treffen meinen Nachbarn zu“, bestätigt Alexander T. (42), dessen Name aus Datenschutzgründen geändert wurde. „Man reißt hier einen Menschen einfach aus dem Existenzaufbau, der in wenigen Monaten Deutsch gelernt hat und etwas leistet.“
Der unscheinbare Fragebogen, der alles änderte
Anfang Juli erhielt Herr S. einen Brief vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit einem Fragebogen. Nach telefonischer Rückfrage wurde ihm versichert, dass bei Vorlage aller Dokumente wie Meldezettel, Arbeitsvertrag, Lohnzettel, E-Card und Aufenthaltsgenehmigung „keine weiteren Probleme“ entstehen würden. Man solle sich keine Sorgen machen, es handle sich um einen allgemeinen Fragebogen.
Von Portugal über Deutschland nach Österreich: Ein Arbeitsleben
S., geboren im Norden Indiens im Bundesstaat Punjab, kam 2018 mit einem Arbeitsvisum legal nach Portugal, wo er sechs Jahre als Gärtner arbeitete. Anfang 2024 zog er nach Deutschland und lernte dort in wenigen Monaten fließend Deutsch, während er in der Gastronomie tätig war. Im Dezember 2024 verschlug es ihn nach Österreich.
„Ich will hier arbeiten“, sagt der 27-Jährige mit annähernd akzentfreiem Deutsch. Er ist ein fleißiger Mann, der an Arbeitstagen bis 20 Uhr im Einsatz ist. Sein Erspartes investierte er in einen kleinen Pkw und Möbel, um sich in seiner neuen Heimat in Niederösterreich etwas aufzubauen.
Integrierter Arbeiter vor der Abschiebung
Nachbar Alexander T. ist entrüstet: „Ein arbeitender Mann, der sich in kürzester Zeit integriert hat, sich tagein, tagaus abstrampelt, um am Monatsende sein Gehalt zu erhalten, soll ausgewiesen werden. Was soll das? Wo soll so ein System hinführen?“
T., selbst Kfz-Mechaniker, bekräftigt, dass Herr S. alles getan hat, um Teil der österreichischen Gesellschaft zu werden. Doch dann, Ende Juni, lag der verhängnisvolle Fragebogen im Briefkasten.
Plötzlich „Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung“
Die darin enthaltene Formulierung „Verfahren zur Erlassung einer möglichen Aufenthaltsbeendigung“ und die Mitteilung, dass das BFA die Erlassung einer Rückkehrentscheidung prüfe, schockierte Herrn S. und seine Nachbarn. Zwei Wochen nach dem gewissenhaften Ausfüllen und Zurückschicken des Fragebogens kam die Aufforderung zur unverzüglichen Ausreise.
„Wie soll es mit so einem Vorgehen mit Österreich weitergehen?“, fragt Alexander T. im Gespräch. „Mein Nachbar liegt doch niemandem auf der Tasche, zahlt pünktlich seine Miete und geht arbeiten. Wieso wird eine Person, die sich integriert und einbringt, ohne jegliche soziale Unterstützung in Anspruch zu nehmen, aus Österreich verjagt?“
Die Haltung der Behörde
Auf Anfrage von „Heute“ erklärte das BFA, dass ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung eingeleitet wird, sobald Hinweise auf einen unrechtmäßigen Aufenthalt vorliegen. Im Zuge dessen würden alle Informationen gesammelt und der Einzelfall geprüft, wobei den Betroffenen die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werde – wofür der Fragebogen diente.
Sollten die Voraussetzungen für eine aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegen, ergeht ein Bescheid, gegen den Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden kann. Indische Staatsangehörige dürfen sich mit einem Aufenthaltstitel eines anderen EU-Mitgliedstaates 90 Tage touristisch in Österreich aufhalten. Für einen längeren Aufenthalt sei ein Titel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zu beantragen – grundsätzlich im Ausland, wo das Verfahren abgewartet werden müsse.
Als Herr S. am 28. Juli 2025 in Wiener Neustadt am Magistrat war, wurde er an das BFA verwiesen, wo er laut Alexander T. nur die Aussage erhielt, „dass man nichts machen kann und er Österreich sofort verlassen muss.“
Nachbarsfamilie kämpft für ihren Freund
Alexander T. hat mit seiner Frau Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht. „Er ist mein Nachbar, mittlerweile auch mein Freund.“ Er verweist auf andere Fälle, in denen Menschen mit umfangreichen Unterstützungsleistungen in Österreich bleiben dürfen. „Diese dürfen bleiben?“, fragt T. provokant.
Der Fall von Herrn S. zeigt die mitunter rigide Praxis im Fremdenwesen, auch wenn es um gut integrierte und arbeitstätige Personen geht, die sich vorbildlich in die österreichische Gesellschaft einbringen. Die Ablehnung eines Aufenthalts, selbst bei umfassenden Integrationsbemühungen, wirft die Frage auf, wie Österreich in Zukunft mit solchen Fällen umgehen will. Es bleibt abzuwarten, wie das Bundesverwaltungsgericht in dieser emotional und politisch sensiblen Angelegenheit entscheiden wird.
Quelle „heute.at“
Österreich: Dein Zuhause verdient einen fairen Platz.
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