Kanzler Stocker zu Besuch bei Serbiens Präsident Vučić

Am Mittwoch reiste Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker nach Serbien, um dort Präsident Aleksandar Vučić zu treffen. Der Besuch kommt zu einem heiklen Zeitpunkt, denn das Land erlebt seit neun Monaten die längsten Massenproteste seiner Geschichte. Trotzdem steht das Thema EU-Annäherung weiterhin ganz oben auf der Agenda. Nach einem Empfang mit wehenden Flaggen in Belgrad sprachen die beiden Staatsoberhäupter über die EU-Beitrittsperspektive und eine vertiefte wirtschaftliche Zusammenarbeit.

„Kernanliegen unserer Außenpolitik“

Für Österreich ist eine glaubwürdige Beitrittsperspektive Serbiens und der gesamten Westbalkanregion ein zentrales Anliegen. Kanzler Stocker betonte, dass diese Staaten untrennbar zur europäischen Familie gehören. Er sprach sich für die Eröffnung des nächsten Verhandlungsclusters in den Beitrittsgesprächen aus und befürwortet eine graduelle Integration vor einem vollständigen Beitritt. Notwendige Reformen im Land und im festgefahrenen Belgrad-Pristina-Dialog sind jedoch unumgänglich, denn der Weg in die EU „ist keine Einbahnstraße“. Parallel dazu wurde ein Abkommen zur vertieften wirtschaftlichen Zusammenarbeit unterzeichnet, das die Bereiche Biomasse, Wasserkraft und Infrastruktur umfasst.

Serbien in politisch aufgeheizter Phase

Der Besuch des Kanzlers findet inmitten einer tiefen politischen Krise statt. Auslöser für die seit neun Monaten andauernden Massenproteste war der tödliche Einsturz des Bahnhofsdaches in Novi Sad im November 2024. Die Demonstranten fordern eine lückenlose Aufklärung, die Offenlegung aller Bauverträge und mittlerweile auch Neuwahlen. Täglich gibt es Dutzende Protestaktionen im ganzen Land. Laut der Medienbeobachtungsorganisation CRTA wurden seit Jänner rund 800 Personen verhaftet. Vučić selbst bezeichnete die Proteste bei der gemeinsamen Pressekonferenz als „gesetzeswidrig“ und „gewaltsam“ und lehnte Neuwahlen brüsk ab.

Autoritäres Vorgehen und internationale Beziehungen

Präsident Vučić und seine Fortschrittspartei SNS sind seit 2012 an der Macht und regieren zunehmend autoritärer. Kritiker sprechen von einer engen Verflechtung von Partei und Staat sowie von einer Unterdrückung der Medien und Justiz. Trotzdem kann sich der Machthaber weiterhin auf internationale Unterstützung verlassen. Er unterhält enge Beziehungen zu Moskau und gewinnt große chinesische Investoren. Die internationale Reaktion auf die Proteste in Serbien, auch aus Europa, bleibt bisher verhalten. Aktivisten fordern lautstarker zu handeln und die demokratischen Werte über wirtschaftliche Interessen zu stellen.

Der Besuch von Kanzler Stocker unterstreicht das österreichische Interesse, Serbien an die EU heranzuführen. Während die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit intensiviert wird, bleibt die innere Lage in Serbien angespannt. Die anhaltenden Massenproteste gegen das autoritäre Regime von Aleksandar Vučić zeigen, dass der Weg des Landes in Richtung europäischer Werte noch steinig ist und die internationale Gemeinschaft vor einer großen Herausforderung steht.

Quelle „kurier.at“

Österreich und Serbien – Partnerschaft mit Perspektive?

Von admin

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