Eine neue Regelung zur Sozialversicherungspflicht von Trinkgeldern sorgt in Österreich für kontroverse Diskussionen. Während die Regierung die Notwendigkeit einer einheitlichen und transparenten Regelung betont, kämpfen Vertreter der Gastronomie und Hotellerie gegen die Belastungen, die sie für ihre Mitarbeiter sehen.
Trinkgelder im Fokus: Sozialversicherungspflicht und Freibeträge
In Österreich sind Trinkgelder seit Langem eine wichtige kulturelle Tradition, insbesondere in Gastronomie, Hotellerie, bei Friseuren und Taxifahrten. Nach der aktuellen Gesetzeslage sind sie sozialversicherungspflichtig, sofern die Freibeträge überschritten werden. Diese Freibeträge variieren je nach Bundesland – so liegt der Betrag für Kellnerinnen und Kellner in Wien beispielsweise bei rund 60 Euro pro Monat. Beträge darüber hinaus unterliegen der vollen Sozialversicherungspflicht, und es müssen 20 Prozent abgeführt werden.
Das ursprünglich zur Vereinfachung eingeführte Pauschalmodell wurde von der Wirtschaftskammer Österreich und der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) entwickelt. Durch den steigenden Trend, Trinkgelder digital via Karte zu bezahlen, sind diese jedoch leichter nachverfolgbar, was Nachforderungen durch die ÖGK ausgelöst hat. Genau diese neue Realität ist es, die nun eine politische Diskussion entfacht.
Wirtschaftsvertreter fordern Steuerbefreiung
Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger äußerte am Samstag klare Kritik an der aktuellen Regelung: „Das Trinkgeld gehört den Mitarbeitern und nicht dem Finanzamt.“ Mit dieser Position unterstützt er die Forderung von Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaftskammer, der sich für eine vollständige Steuer- und Abgabenbefreiung von Trinkgeldern ausspricht. Mahrer betont: „Trinkgeld ist ein Zeichen der Anerkennung und kein Einkommen.“ Besonders in Gastronomie und Hotellerie sei es eine Möglichkeit, den enormen Einsatz der Mitarbeiter wertzuschätzen.
Egger ergänzt: „Gerade in Zeiten des Arbeitskräftemangels müssen wir jede Gelegenheit nutzen, die Rahmenbedingungen für unsere Mitarbeiter zu verbessern. Eine steuerfreie Auszahlung von Trinkgeldern wäre ein einfacher, fairer und unbürokratischer Schritt.“
FPÖ schaltet sich ein: Kritik an Mahrer und der Regierung
Nicht jeder ist überzeugt von den Forderungen Mahrers. Der Tourismussprecher der FPÖ im Nationalrat, Christoph Steiner, geht in einer scharfen Stellungnahme auf Mahrer los: „Dieser Mann fehlt jegliche Glaubwürdigkeit und ist wie so oft ein übler schwarzer Schmäh.“ Steiner äußert den Verdacht, dass Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) bereits Pläne entwickele, um „noch tiefer in die Taschen der Gastronomen und Mitarbeiter zu greifen.“ Zudem kritisiert Steiner, dass Mahrer als Verhandlungsführer der ÖVP die Steuerbefreiung nicht schon früher ins Regierungsprogramm eingebracht habe.
Der Stand der Dinge und mögliche Änderungen
Derzeit obliegt die Festlegung der Trinkgeldpauschale den Landesebenen und wird von der Wirtschaftskammer sowie der ÖGK geregelt. Die ursprüngliche Absicht war es, den Betrieben eine erleichterte Dokumentation zu ermöglichen. Doch nun sollen die Regelungen auf Bundesebene überprüft und vereinheitlicht werden. Laut Regierungsprogramm der Koalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS wird eine Evaluation der bestehenden Systeme angestrebt.
Die Debatte um die Besteuerung von Trinkgeldern zeigt, wie schnell eine lange Tradition zum politischen Streitfall werden kann. Während Wirtschaftsvertreter eine klare Entlastung fordern und Mitarbeiter besser geschützt sehen möchten, warnen Kritiker vor möglichen Nachteilen durch eine pauschale Abschaffung der Sozialversicherungspflicht. Letztlich bleibt die Frage: Wird eine einheitliche Regelung für Klarheit sorgen, oder laufen wir Gefahr, eine Kultur der Wertschätzung zu bürokratisieren?
Quelle „heute.at“