Budgetäre Enge führt zu Mobilitäts-Zank
Die Stimmung im Sozialausschuss war hitzig, als es um die Rechte von Menschen mit Behinderungen ging.
Die Grünen, vertreten durch ihren Sozialsprecher Ralph Schallmeiner, verlangen die unverzügliche Rücknahme der „drastischen Kürzung“ des Mobilitätszuschusses für 2025 und eine inflationsangepasste Auszahlung. Die Kürzung von über 50 % sei für jene unzumutbar, die auf Auto oder Taxi angewiesen sind.
Sozialministerin Korinna Schumann verteidigte die Kürzung mit Verweis auf das Defizit im Ausgleichstaxfonds. Die schwierige Budgetlage erlaube keine Beibehaltung der vollen Zuschusshöhe. Sie müsse den Realitäten der Budgetsanierung Rechnung tragen, wolle aber die notwendigen Maßnahmen sozialverträglich gestalten. Auch die SPÖ-Abgeordnete Verena Nussbaum argumentierte mit der finanziellen Schieflage des Fonds, sah aber in steuerlichen Maßnahmen eine ausreichende Unterstützung. Die Anträge wurden von ÖVP, SPÖ und NEOS vertagt.
FPÖ fordert Rechtsanspruch auf persönliche Assistenz
Die FPÖ setzte sich mit ihrem Abgeordneten Christian Ragger für einen Rechtsanspruch auf „persönliche Assistenz“ in Bildung und Beruf für Menschen mit Behinderungen ein – explizit auch für Menschen mit intellektuellen Behinderungen. Ragger berief sich auf die UN-Behindertenrechtskonvention und die Forderungen der Lebenshilfe.
Ministerin Schumann verwies auf die mangelnde dauerhafte Finanzierbarkeit des aktuellen Anschubprojekts des Bundes und setzt auf gemeinsame Lösungen mit den Ländern. Die NEOS-Abgeordnete Fiona Fiedler warf der FPÖ eine „selektive“ Einforderung von Menschenrechten vor und bezeichnete das Engagement als unglaubwürdig, was FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch entschieden zurückwies. Auch dieser FPÖ-Antrag wurde vertagt.
Freiheitliche wollen „echte Pflegereform“
Ein zentraler Block der Debatte war die Pflege. FPÖ-Abgeordneter Ragger legte umfassende Vorschläge für eine „echte Pflegereform“ vor, da die Regierungsmaßnahmen als unzureichend bewertet werden. Zu den Forderungen zählen:
- Eine zentrale Zielsteuerung in der Pflege.
- Stärkung der Pflege zu Hause und in alternativen Wohnformen.
- Faire Entlohnung durch einheitliche Gehaltsmodelle sowie steuerliche Entlastung von Überstunden und Prämien.
- Ein ergänzender Pflegescheck zum Pflegegeld.
- Digitalisierung und KI-gestützte Dokumentation zur Entlastung des Personals.
- Besserer Personalschlüssel in Pflegeheimen.
- Erhöhung des Pflegegeldes um 50 % ab Stufe 3 bei Pflege zu Hause.
ÖVP-Abgeordnete Elisabeth Scheucher-Pichler sah gute Chancen, durch eine Reformpartnerschaft mit den Bundesländern einiges voranzubringen und sprach sich aufgrund der laufenden Verhandlungen für eine Vertagung aus.
Fokus auf Pflege zu Hause und mehr Privatsphäre
In weiteren Anträgen forderte die FPÖ, die Pflege zu Hause massiv zu fördern – unter anderem mit einem Pflegescheck von 1.500 € als Ergänzung zum Pflegegeld, der Abschaffung des faktischen Pflegeregresses bei der 24-Stunden-Betreuung und der 50-%-Erhöhung des Pflegegeldes ab Stufe 3 für die häusliche Pflege.
Zudem soll der Einzelzimmerzuschlag in Pflegeheimen gedeckelt werden, um die Privatsphäre leistbar zu machen. Hier verwies Ragger auf das Vorbild Steiermark (max. 8,80 €/Tag). SPÖ-Abgeordnete Barbara Teiber und ÖVP-Abgeordnete Scheucher-Pichler sahen die Länder in der Hauptverantwortung, erklärten aber, dass bereits einiges in Bewegung sei, und stellten Vertagungsanträge. NEOS-Abgeordnete Fiona Fiedler sah bei den Pflege-Anträgen teils logische Mängel.
Recht auf analogen Zugang
Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ) kritisierte die zunehmende Digitalisierung des Staates und forderte ein Recht auf analoge, persönliche Inanspruchnahme staatlicher Dienstleistungen – von Verwaltung und Justiz bis hin zur Daseinsvorsorge (Strom, Banken, Gesundheit). Dies solle die Ausgrenzung älterer oder gesundheitlich eingeschränkter Bürger verhindern. SPÖ-Abgeordneter Michael Seemayer vertagte den Antrag mit dem Hinweis, die Forderungen seien bereits Teil des Regierungsprogramms und in Umsetzung.
Sozialministerin setzt auf Kommission und KI
Ministerin Schumann begrüßte grundsätzlich alle Ideen zur Verbesserung des Pflegesystems. Sie sieht im Einsatz von Künstlicher Intelligenz eine Chance zur Entlastung von Pflegekräften und zur Gewinnung einer besseren Datengrundlage. Die vielen guten Ideen aus den Bundesländern sollen über die Pflege-Entwicklungs-Kommission zusammengeführt werden, welche sich aus Sicht der Ministerin „auf einem guten Weg“ befindet.
Im Sozialausschuss prallten die Forderungen von Grünen (Mobilitäts-Erhalt) und FPÖ (umfassende Pflegereform, Rechtsanspruch auf Assistenz) auf die budgetären Bedenken und den Verweis auf laufende Verhandlungen seitens der Regierungsparteien ÖVP und SPÖ sowie der NEOS. Schlussendlich wurden sämtliche Anträge vertagt.
Quelle „Parlamentsdirektion“
Österreichs Soziales: Reformbedarf bleibt auf der Tagesordnung.