Alarmierende Zustände in der Bundeshauptstadt: Eine steigende Anzahl junger Menschen sorgt mit kriminellen Handlungen für Angst und Schrecken. Nun zieht Wien die Notbremse und plant drastische Maßnahmen.

Die friedliche Fassade mancher Wiener Bezirke bröckelt. Hinter den stuckverzierten Altbauten und modernen Wohnkomplexen verbirgt sich eine besorgniserregende Realität: Jugendgewalt. Anrainer in Meidling, der Donaustadt und Floridsdorf berichten unisono von einer Zunahme an Übergriffen, Einschüchterungen und mutwilliger Zerstörung. Es sind keine Einzelfälle mehr, sondern eine beunruhigende Entwicklung, die das Sicherheitsgefühl vieler Wienerinnen und Wiener empfindlich stört.

Die Polizeiakten zeichnen ein düsteres Bild. Einzelne Jugendliche scheinen eine erschreckende Bilanz an Straftaten anzuhäufen – die Rede ist von Hunderten Delikten, begangen von nur einer Handvoll junger Menschen. Sie agieren scheinbar ohne Furcht vor Konsequenzen, oft mit einer dreisten Attitüde, die die Ohnmacht der Betroffenen und der Behörden nur noch verstärkt. Die schiere Anzahl der Delikte, die auf das Konto dieser jungen Intensivtäter gehen, sprengt jede Vorstellungskraft und belastet die Ressourcen der Exekutive aufs Äußerste.

„Es reicht!“: Wien sagt der Jugendkriminalität den Kampf an

Nachdem Appelle und herkömmliche Maßnahmen offenbar nicht gefruchtet haben, präsentiert die Stadt Wien nun einen ambitionierten Fünf-Punkte-Plan, der ab Juni greifen soll. Ziel ist es, die Spirale der Gewalt endlich zu durchbrechen.

„Die Situation war unhaltbar. Dass der Staat machtlos zusehen muss, wenn sich Einzelne bewusst gegen unsere Gesetze stellen, konnten wir nicht länger akzeptieren. Das wird sich nun ändern“, betont Walter Dillinger, der Chef-Ermittler der Wiener Polizei, im Gespräch mit der APA. In enger Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt und der Magistratsabteilung 11 (Kinder- und Jugendhilfe) wurde ein Maßnahmenpaket geschnürt, das auf mehreren Säulen basiert.

Ein zentraler Baustein ist die Implementierung von Frühwarnsystemen. Hier setzt man auf Prävention, bevor es zu schwerwiegenden Delikten kommt. Doch auch die intensive Betreuung auffällig gewordener Jugendlicher spielt eine entscheidende Rolle. Sozialarbeiter und Psychologen sollen den jungen Menschen Perspektiven aufzeigen und ihnen helfen, wieder auf den rechten Weg zu finden.

Der wohl einschneidendste Punkt des Plans ist die Schaffung von geschlossenen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, die völlig außer Kontrolle geraten sind und eine Gefahr für sich und andere darstellen. Aktuell geht man in Wien von etwa 30 bis 40 solcher Intensivtäter aus, für die zunächst zehn bis fünfzehn Plätze in solchen Einrichtungen geplant sind. Ein Schritt, der in der Öffentlichkeit sicherlich kontrovers diskutiert werden wird, aber von den Verantwortlichen alsUltima Ratioangesehen wird.

Pilotprojekt „KISI“: Frühintervention als Schlüssel zur Deeskalation

Bereits ab dem 1. Juni startet mit „KISI“ (Krisenintervention und Systemische Intervention) ein neues Frühinterventionssystem, das sich an sogenannte Schwellentäter richtet.

Kinder und Jugendliche, die zum ersten Mal mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, sollen gemeinsam mit ihren Eltern eine sicherheitspolizeiliche Beratung erhalten. Im Anschluss daran erfolgt ein engmaschiges Monitoring. Bei erneuten Auffälligkeiten greifen weitere, abgestufte Maßnahmen. Ziel ist es, frühzeitig einzugreifen, bevor sich delinquentes Verhalten verfestigt und die jungen Menschen in eine kriminelle Karriere abrutschen. Sozialarbeiter begleiten diesen Prozess und bieten den Familien Unterstützung an.

Vertrauenssystem und die „50-Straftaten-Grenze“

Für unmündige Intensivtäter, die bereits mehr als fünf polizeiliche Vormerkungen pro Jahr aufweisen, soll ein neues Vertrauenssystem etabliert werden.

Diese jungen Menschen, oft traumatisiert durch häufige Heimwechsel und schwierige familiäre Verhältnisse, gelten als „Systemsprenger“. Ihnen sollen feste Bezugspersonen zur Seite gestellt werden, die ihnen Orientierung und Halt geben. Doch auch dieses Modell hat seine Grenzen.

Für eine wachsende Zahl von Kindern und Jugendlichen, die eine erschreckende Anzahl von 50 oder mehr Straftaten pro Jahr begehen, soll künftig die Möglichkeit der vorübergehenden Unterbringung in geschlossenen Einrichtungen geschaffen werden. Die rechtliche Grundlage dafür muss zwar noch geschaffen werden, der politische Wille scheint jedoch vorhanden.

Ein Wendepunkt im Umgang mit Jugendgewalt?

Die geplanten Maßnahmen der Stadt Wien sind ein deutliches Signal, dass die Eskalation der Jugendgewalt nicht länger hingenommen wird. Der Fünf-Punkte-Plan, insbesondere die Einführung von geschlossenen Einrichtungen alsUltima Ratio, ist ein mutiger Schritt, der jedoch auch kritische Fragen aufwirft. Es gilt, die Balance zwischen notwendiger Härte und dem Schutz der Rechte junger Menschen zu wahren.

Das Pilotprojekt „KISI“ im Bereich der Frühintervention könnte sich als entscheidend erweisen, um junge Menschen frühzeitig auf den richtigen Weg zu lenken. Ob die geplanten Maßnahmen die erhoffte Wirkung zeigen und die Spirale der Jugendkriminalität in Wien tatsächlich durchbrochen werden kann, wird die Zukunft zeigen. Eines ist jedoch klar: Die Zeit des Zuwartens ist vorbei. Wien hat reagiert.

Quelle „heute.at“

Von admin

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