AMS-Chef Johannes Kopf blickt kritisch auf die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt. In einem aktuellen Interview mit dem Magazin „profil“ spricht er offen über Erfolge, aber auch über massive Probleme – und fordert ein bundeseinheitliches Mindestsicherungssystem.
Erfolge trotz Hürden
Zehn Jahre nach der großen Fluchtwelle von 2015/16 zieht Kopf ein überwiegend positives Fazit: „Die Integration in den Arbeitsmarkt funktioniert.“ Zwar sei der Prozess teuer, aber die Alternative – die Nichtintegration – käme die Gesellschaft noch teurer zu stehen. Ein zentraler Punkt sei die Sprachförderung: „Ein Deutschkurs ist billiger als ein Monat Mindestsicherung“, betont Kopf.
Laut den Zahlen des AMS sind heute 57 Prozent der Geflüchteten von 2015/16 berufstätig. Besonders überrascht zeigte sich Kopf von den Menschen aus Afghanistan: Trotz geringer Anfangsqualifikationen sei deren Integrationskurve deutlich steiler als erwartet.
Akademiker am Bau und die Tücken der Bürokratie
Bei Geflüchteten aus Syrien, die im Schnitt besser gebildet sind, verlaufe die Integration langsamer. Das Extrembeispiel sei der syrische Arzt: Rund 200 Mediziner hat das AMS bei der Nostrifikation begleitet. Der Prozess, der Deutschkenntnisse auf Matura-Niveau und Ergänzungsprüfungen erfordert, dauert im Schnitt drei Jahre. Kopf versteht die Notwendigkeit dieser Hürden: „Ich möchte natürlich von einem Arzt behandelt werden, der mich gut genug versteht.“
Ein weiteres großes Problem sind die Frauen. Viele melden sich beim AMS ab, sobald der Mann arbeitet. Die Beschäftigungsquote von Frauen aus Syrien und Afghanistan ist laut Kopf so niedrig wie bei Österreicherinnen in den 1960er- und 1970er-Jahren. Besonders besorgniserregend sei, dass sich auch viele Mädchen gar nicht erst auf Jobsuche begeben, sondern zu Hause bleiben, um ihren Müttern zu helfen.
Mindestsicherung am Prüfstand
Eine Reform der Mindestsicherung ist für Kopf unerlässlich. Er plädiert für ein bundeseinheitliches System, da es keinen Grund für unterschiedliche Regelungen und Bezüge in den einzelnen Bundesländern gebe.
Kopf spricht sich dafür aus, dass die Höhe der Sozialhilfe für kinderreiche Familien in manchen Fällen zu hoch ist, da sie das Gehalt einer geringqualifizierten Person übersteigt. Gleichzeitig betont er, dass Kinderarmut ein großes Übel ist und bekämpft werden muss. „Bin ich dennoch der Meinung, dass es in manchen Fällen zu viel ist? Ja, bin ich“, so die klare Ansage des AMS-Chefs.
Integration in Wien und die Rolle der Mütter
Auch bei der Integration der Geflüchteten aus der Ukraine sieht Kopf Fehler, insbesondere in der Bundeshauptstadt. Die Beschäftigungsquote in Oberösterreich sei deutlich höher als in Wien, wo man erst jetzt nachgezogen hat. Viele Ukrainerinnen und Ukrainer seien fälschlich davon ausgegangen, bald wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können.
Die nächste Generation sieht der AMS-Chef besser integriert. „Die Integration passiert über die Mütter“, ist Kopf überzeugt. Über Kindergarten und Schule hätten die Frauen automatisch Kontakt zur Gesellschaft.
Der massive Nachteil in der Bundeshauptstadt liegt laut Kopf in der Bildung. Berichte von Lehrern, in deren Klassen es nur noch wenige Kinder mit Deutsch als Muttersprache gebe, müssten ernst genommen werden. „Man verbaut diesen Kindern sonst die Zukunft.“
AMS-Chef Johannes Kopf zeigt in seiner Analyse, dass die Integration von Geflüchteten ein komplexes und vielschichtiges Thema ist. Trotz deutlicher Fortschritte gibt es weiterhin massive Baustellen, insbesondere bei der Integration von Frauen und der notwendigen Reform der Mindestsicherung. Seine klaren Worte und Forderungen machen deutlich: Nur durch konsequente Maßnahmen kann die Integration auf dem Arbeitsmarkt nachhaltig gelingen.
Quelle „heute.at“
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