© Lei Dong/Nanjing University und Jian Xiao/Wenzhou Medical University
Wien, Österreich – Eine bahnbrechende Studie weckt Hoffnungen für Millionen von Menschen, die an Typ-1-Diabetes leiden: Ein internationales Forscherteam hat einen Weg gefunden, die Milz in einen Bioreaktor umzufunktionieren, der lebenswichtige Zellen direkt im Körper züchten und regenerieren kann. Dies könnte die Behandlung von Diabetes Typ 1 revolutionieren und das Problem des Organmangels bei Transplantationen lösen.

Die Milz: Ein unterschätztes Organ als Hoffnungsträger

Bei Typ-1-Diabetes sind die insulinproduzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse durch eine Autoimmunreaktion unwiederbringlich geschädigt. Bislang sind Betroffene auf Insulinspritzen oder in schweren Fällen auf eine Organtransplantation angewiesen. Doch Spenderorgane sind rar und werden oft abgestoßen. Selbst transplantierte Inselzellen überleben in der Bauchspeicheldrüse der Empfänger nicht lange genug, um eine dauerhafte Heilung zu ermöglichen – oft aufgrund der invasiven Operation und der schlechten Nährstoffversorgung.

Hier kommt die Milz ins Spiel. Ein Team um Mi Liu von der Medizinischen Universität Wenzhou in China hat die Milz als idealen Ort für die Züchtung neuer Inselzellen identifiziert. Die Milz ist zwar wichtig für die Blutreinigung, aber für Erwachsene nicht zwingend überlebenswichtig. Zudem bietet sie eine poröse Struktur, ist leicht zugänglich und hervorragend durchblutet – beste Voraussetzungen für die Organreifung.

Umbau zum „Hochleistungs-Bioreaktor“

Lei Dong von der Universität Nanjing, Koautor der Studie, erklärt: „Wir bauen die Milz quasi in einen Hochleistungs-Bioreaktor um.“ Der Trick dabei sind zuckerbeschichtete Silizium-Nanopartikel (KSiNP). Diese Partikel werden in die Milz injiziert und programmieren dort die Mikroumgebung neu. Sie interagieren mit Immunzellen und Bindegewebszellen, dämpfen lokal das Immunsystem und fördern das Wachstum von Bindegewebe. „Durch die verbesserte Unterstützung der extrazellulären Matrix, das beschleunigte Wachstum der Blutgefäße und die Unterdrückung von Immunangriffen haben wir eine ideale Nische für das Gedeihen transplantierter Zellen geschaffen“, so Dong.

Beeindruckende Ergebnisse bei Mäusen und Affen

Die Forscher testeten ihre Methode zunächst an Mäusen. Sie injizierten 200 Inselzellen von Mäusen oder Ratten in die umprogrammierten Mäuse-Milzen. Das Ergebnis: Die Zellen wuchsen zu funktionstüchtigem Gewebe heran und konnten den Blutzucker der Mäuse mindestens 90 Tage lang konstant halten, selbst wenn die ursprüngliche Bauchspeicheldrüse medikamentös ausgeschaltet wurde.

Doch funktioniert dies auch bei Primaten? Um dies zu überprüfen, wendeten die Forscher das Verfahren bei Javaneraffen an. Auch hier wurde die Milz der Affen zunächst mit den Nanopartikeln umprogrammiert und anschließend mit Tausenden menschlicher, insulinproduzierender Inselzellen bestückt. Die in der Affenmilz herangewachsenen menschlichen Inselzellen reiften zu funktionstüchtigem Gewebe heran. 28 Tage lang produzierte die umgerüstete Milz genügend Insulin, um den Blutzuckerspiegel der Affen stabil zu halten, ohne dass Nebenwirkungen festgestellt wurden.

Organersatz im eigenen Körper: Eine Zukunftsvision?

Das Forschungsteam ist überzeugt: Ein solcher „Umbau“ der Milz könnte eine vielversprechende Strategie gegen Diabetes sein. Anstatt ganze Organe zu transplantieren, würde man ein bereits vorhandenes Organ – die Milz – mit zusätzlichen Funktionen ausstatten. Die Methode ist mit menschlichen und tierischen Zellen kompatibel und liefert einen funktionstüchtigen Organersatz, der nicht abgestoßen wird. Theoretisch könnte dieses Verfahren daher auch bei der menschlichen Milz funktionieren.

Die Vision ist klar: In Zukunft könnten so maßgeschneiderte Organe auf Abruf gezüchtet werden, direkt im Körper des Patienten. Bevor dies jedoch Realität wird, sind laut den Forschenden noch gründliche Sicherheitstests und Folgestudien nötig. In Zukunft wollen Mi Liu, Lei Dong und ihr Team ihre Milz-Bioreaktor-Technik so erweitern, dass sich damit aus induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSCs) gezielt das jeweils benötigte Organ züchten lässt – nicht nur Bauchspeicheldrüsen-, sondern auch Leber- oder Schilddrüsengewebe. Die Milz, einst im Schatten der anderen Organe, könnte so zum Schlüssel für eine neue Ära der personalisierten Medizin werden.

Quelle „scinexx.de“

Von admin

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