Die Debatte um Teilzeitarbeit in Österreich spitzt sich zu. Im Zentrum des Streits stehen die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und ihr Parteikollege, Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, die eine Zunahme der sogenannten „Lifestyle-Teilzeit“ kritisieren. Die SPÖ Niederösterreich, angeführt von Landesvorsitzendem Sven Hergovich und Landtagsabgeordnetem René Pfister, reagiert mit scharfer Kritik und fordert eine Entschuldigung.
Mikl-Leitner: „Asozial, unfair und ungerecht“
Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner sorgte mit Äußerungen für Aufregung, in denen sie Teilzeitarbeit als „asozial“ bezeichnete – insbesondere, wenn sie nicht aus Gründen wie Kinderbetreuung oder Pflege notwendig sei. Im Jänner betonte sie in einer Rede: „Ich gönne jedem, dass er seine Work-Life-Balance lebt, aber nicht auf unser aller Kosten.“ Für einen gesunden Mann oder eine gesunde Frau sei Teilzeit „asozial“, was die SPÖ prompt als „zerrissen“ und „von der Lebensrealität der Menschen entfernt“ bezeichnete.
SPÖ schießt zurück
Für die SPÖ NÖ ist die Sache klar: Tausende Menschen, vor allem Frauen, seien in Teilzeit gezwungen, weil es an Kinderbetreuung fehle und Vollzeitstellen schwer zu finden seien. René Pfister verlangt daher eine Entschuldigung von der Landeshauptfrau. Sven Hergovich richtet seinen Unmut auch an Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer, dessen Gebrauch von „Denglisch-Managementsprech“ und Begriffen wie „Wake Up Call“ er als abgehoben kritisiert.
Die Finanzlage Niederösterreichs
Parallel zur Debatte steht Niederösterreich vor einer ernsten finanziellen Herausforderung. Die Schulden des flächenmäßig größten Bundeslandes sind laut Statistik Austria in kurzer Zeit von 137 Millionen Euro auf 486 Millionen Euro gestiegen. Finanzlandesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP) führt dies auf eine schwächelnde Wirtschaft, die Hochwasserschäden im September 2024 und gestiegene Kosten im Sozial- und Gesundheitsbereich zurück. Mikl-Leitner kündigte im Zuge dessen einen Sparkurs an, um den Schuldenberg in den Griff zu bekommen.
Fakten statt Vorwürfe
Eine Analyse der Arbeiterkammer NÖ untermauert die Position der SPÖ: Über 40 Prozent der Arbeitnehmer in Niederösterreich arbeiten in Teilzeit, bei den Frauen sind es sogar 65 Prozent. Als Hauptgrund nennen Frauen Betreuungsaufgaben. Hinzu kommt, dass die Kinderbetreuungssituation im Bundesland angespannt ist. Nur jedes dritte Kind unter drei Jahren hat einen Kindergartenplatz, und nur in jeder zweiten Gemeinde gibt es Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder. Die SPÖ sieht hier den Hebel: Sie fordert den flächendeckenden Ausbau der Kinderbetreuung und einen 50-prozentigen Überstundenzuschlag für Teilzeitkräfte, um Unternehmen unattraktiver zu machen, Vollzeitstellen zu verweigern.
ÖVP kontert
Die ÖVP lässt die Vorwürfe nicht unkommentiert. Landesgeschäftsführer Matthias Zauner verteidigt die Haltung der Partei: Wer aus gesundheitlichen Gründen oder wegen Betreuungspflichten Teilzeit arbeite, sei politisch unbestritten und gesellschaftlich notwendig. Aber wer ohne solche Verpflichtungen Teilzeit bevorzuge, müsse sich bewusst sein, dass dies das Sozialsystem gefährde. Zauner postuliert, dass „echte Wahlfreiheit“ für Eltern durch die Kinderbetreuungsoffensive der ÖVP geschaffen werde und betont, Leistung müsse sich wieder lohnen.
Die Teilzeit-Debatte in Niederösterreich zeigt die grundlegenden Meinungsverschiedenheiten zwischen ÖVP und SPÖ in der Arbeitsmarktpolitik. Während die ÖVP in der „Lifestyle-Teilzeit“ eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort und das Sozialsystem sieht, argumentiert die SPÖ, dass die Teilzeit oft eine Notlösung aufgrund fehlender Infrastruktur wie Kinderbetreuung ist. Der Streit um die „Lifestyle-Teilzeit“ ist somit mehr als nur eine Wortmeldung – er ist ein Schlagabtausch über die soziale Verantwortung des Staates und die wirtschaftliche Zukunft.
Quelle „heute.at“
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