Wien vor dem Umbruch: Am heutigen Dienstag lüftete die brandneue SPÖ-NEOS-Koalition in Wien endlich das Geheimnis um ihr Regierungsprogramm.
Nach zähen Verhandlungen, die seit Anfang Mai andauerten, präsentierten SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig und NEOS-Vizebürgermeisterin Bettina Emmerling kurz nach Mittag, gegen 12:30 Uhr, die Weichen, die sie für die Bundeshauptstadt stellen wollen. Ein brisanter Punkt, der die Gemüter erhitzt: die Zukunft der Mindestsicherung!
Sparen und Investieren: Ein Wiener Spagat
Angesichts einer angespannten Budgetsituation ist klar: Die nächsten fünf Jahre werden in Wien, ähnlich wie im Bund, vom Spardruck geprägt sein. Doch wie will man das schaffen, ohne die Stadtentwicklung zu bremsen? Das Regierungsprogramm setzt auf strukturelle Reformen, eine akribische Evaluierung aller Förderungen und eine strikte Gegenfinanzierungspflicht für jede neue Maßnahme. Ein weiterer Hebel: Städtische Beteiligungen sollen zukünftig deutlich höhere Dividenden ausschütten.
Doch nicht nur gespart wird: Trotz des Sparzwangs soll massiv in die Infrastruktur investiert werden. Ein klares Ziel formulieren SPÖ und NEOS in ihrem Programm: „Wir wollen Wien zum führenden Standort für Digitalisierung und Spitzentechnologie machen.“ Das ist keine leere Phrase, sondern mit konkreten Plänen untermauert: Die Evaluierung eines Ausbaus des AI Life Science Centers, die forcierte Förderung von Digitalisierung mit Schwerpunkt auf Künstlicher Intelligenz und Machine Learning in der Forschung, der Aufbau eines Kompetenzzentrums für Cyber-Sicherheit und Cyber Defense und sogar die ambitionierte Bewerbung für die Ansiedelung einer „AI Gigafactory“ stehen auf der Agenda. Wien will also nicht nur sparen, sondern auch in die Zukunft investieren – ein mutiger Balanceakt!
Mindestsicherung auf dem Prüfstand: Nach Skandalen und Warnungen
Ein besonderes Augenmerk der rot-pinken Regierung liegt auf der Wiener Mindestsicherung. Hier soll die Treffsicherheit evaluiert werden. Gemeinsam mit der Kinder- und Jugendhilfe will man die Lebenssituation von Mehrkindfamilien, die Mindestsicherung beziehen, detailliert beleuchten. Dabei sollen auch die Wechselwirkungen zu Bundesleistungen wie Familienbeihilfe, Familienbonus Plus und Leistungen nach dem Unterhaltsrecht genau untersucht werden.

Dieser Punkt kommt nicht von ungefähr: In der Vergangenheit sorgten Fälle von Familien mit hohen Bezügen für große Aufregung und hitzige Schlagzeilen. Man erinnere sich an den berüchtigten Fall einer syrischen Großfamilie mit elf Kindern, die monatlich sage und schreibe 9.000 Euro netto erhielt – ein Schock für viele und ein Katalysator für die wieder aufflammende Diskussion um die Mindestsicherung in Wien. Die Brisanz wird durch einen kürzlich veröffentlichten Bericht aus dem Büro der Wiener Finanzmagistratsabteilung noch verstärkt, der unlängst Alarm geschlagen hat.
Ludwig reagiert auf Kostenexplosion: „Es muss in allen Ressorts gespart werden!“
Der Bericht ist eindeutig: Die Bundeshauptstadt soll sich die Mindestsicherung im kommenden Jahr so nicht mehr leisten können. Schon im Herbst hatte der damalige Finanzdirektor eindringlich vor den explodierenden Kosten gewarnt. Bürgermeister Michael Ludwig reagierte im ORF-Interview auf diese alarmierenden Zahlen und ließ tief blicken: „Das ist ein Hinweis darauf, dass es generell notwendig ist, dass in allen Ressortbereichen eingespart wird. Das gilt natürlich auch für das Sozialressort und von daher ist das auch nicht Unübliches, sondern zielt daraufhin ab, dass wir insgesamt Sparmaßnahmen treffen.“
Eine Änderung bei der Mindestsicherung in Wien kann sich der Stadtchef durchaus vorstellen. Eine Forderung, die die Wiener Rathaus-Opposition, allen voran ÖVP und FPÖ, bereits seit geraumer Zeit als überfällig erachtet, da das aktuelle System ihrer Ansicht nach schlichtweg nicht mehr leistbar sei.
Bund am Zug: Sozialhilfe Neu für ganz Österreich
Doch die Diskussion reicht über die Wiener Stadtgrenzen hinaus. Eine Reform der Sozialhilfe in ganz Österreich wird aktuell im Sozialministerium unter Hochdruck erarbeitet. Ziel ist ein einheitliches System über alle Bundesländer. Sozialministerin Korinna Schumann stellte im ORF unmissverständlich klar: „Wir brauchen eine Kinderabsicherung, das ist ganz wichtig und all jene, die arbeitsfähig sind, Richtung AMS zu vermitteln – das ist die Zielrichtung dieses neuen Sozialhilfeprojekts.“

Die Eckpunkte der „Sozialhilfe Neu“ scheinen dabei bereits festzustehen, auch wenn die genaue Ausgestaltung noch Gegenstand intensiver Verhandlungen mit den Ländern ist. Laut Ministerium soll es eine einheitliche Regelung für ganz Österreich geben. Besonders wichtig: Kinder sollen aus der Sozialhilfe herausgeholt werden. Für sie soll es künftig eine Kindergrundsicherung geben, bei der es von reinen Geldleistungen mehr in Richtung Sachleistungen gehen muss. Das Sozialministerium betonte gegenüber „Heute“: „Der Bundesregierung ist natürlich bewusst, dass die Zeit drängt und die Reform der Sozialhilfe ein wichtiges und dringendes Thema ist.“
Wien steht vor einer sozialpolitischen Zerreißprobe. Die neue rot-pinke Koalition hat sich vorgenommen, die Mindestsicherung auf den Prüfstand zu stellen und eine längst überfällige Evaluierung vorzunehmen. Die finanzielle Lage der Stadt und die bundesweiten Bestrebungen zur Sozialhilfereform zeigen, dass ein „Weiter so“ keine Option ist. Ob Ludwig und Emmerling den Spagat zwischen Spardruck und sozialer Absicherung meistern können, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Eines ist jedoch klar: Die Mindestsicherung bleibt ein heißes Eisen, das die politische Landschaft Wiens und Österreichs weiterhin prägen wird.
Quelle „heute.at“