Historischer Empfang in der Hofburg – Wien, 16. Juni 2025 – Ein historischer Moment für Österreich und die Ukraine: Zum ersten Mal seit Beginn des Krieges empfing Bundespräsident Alexander Van der Bellen heute seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj in Wien.

Der ukrainische Präsident traf in Begleitung seiner Frau Olena Selenska zu einem Staatsbesuch ein, der unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen stattfand und ein dichtes Programm vorsah. Österreich bekräftigt damit nicht nur seinen Wunsch, als neutrales Land zu möglichen Friedensverhandlungen beizutragen, sondern bewirbt sich auch um einen nicht-ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat für die Periode 2027-2028.

Militärische Ehren und diplomatische Gespräche

Der Empfang begann mit militärischen Ehren, bei dem die Garde die ukrainische und die österreichische Hymne spielte. Anschließend folgten Acht- bzw. Vieraugengespräche der beiden Staatsoberhäupter und ihrer Partnerinnen, Bundespräsident Alexander Van der Bellen und First Lady Doris Schmidauer. Ein Arbeitsmittagessen der Delegationen schloss sich an, an dem auf österreichischer Seite unter anderem Vizekanzler Andreas Babler und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger teilnahmen.

Wirtschaftliche Achsenverschiebung: Fünf Absichtserklärungen unterzeichnet

Ein zentraler Punkt des Besuchs war die Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Fünf Absichtserklärungen wurden unterzeichnet, die insbesondere die verstärkte wirtschaftliche Kooperation zwischen Österreich und der Ukraine zum Ziel haben. Dies unterstreicht das beiderseitige Interesse an einer stabilen und wachsenden Wirtschaftsbeziehung, auch in Kriegszeiten.

Van der Bellen: „Politisch nicht neutral“

Kurz nach 15 Uhr traten Van der Bellen und Selenskyj gemeinsam im Spiegelsaal der Hofburg vor die Presse. Bundespräsident Van der Bellen betonte zu Beginn die Bedeutung der unterschriebenen Dokumente. Er hob hervor, dass die Ukraine nicht nur für sich selbst, sondern für das Wertesystem ganz Europas kämpfe. „Die ukrainische Bevölkerung will keine russischen Untertanen sein“, so Van der Bellen unmissverständlich.

Auch die wirtschaftlichen Bande wurden betont: „Österreich ist einer der größten Investoren in der Ukraine. Rund 200 unserer Unternehmen sind vor Ort tätig. Das soll so bleiben“, bekräftigte Van der Bellen. Er stellte klar, dass Österreich zwar militärisch neutral sei, aber „politisch nicht“.

Der Bundespräsident appellierte zudem an Russland, den Krieg zu beenden und sich an ernsthaften Verhandlungen zu beteiligen. Er versicherte Selenskyj die fortwährende Unterstützung Österreichs und kündigte die Beteiligung an allen Russland-Sanktionen an, inklusive eines bevorstehenden 18. EU-Pakets.

Flüchtlingsfrage und Österreichs Hilfsangebot

Ein wichtiger Aspekt, der von Van der Bellen angesprochen wurde, war die Rückführung der rund 70.000 bis 80.000 ukrainischen Flüchtlinge, die derzeit in Österreich leben. Van der Bellen bot hier die rot-weiß-rote Mithilfe an und verwies auf die Ernennung von Wolfgang Anzengruber zum Ukraine-Koordinator als Zeichen dieser Unterstützung. Er betonte, dass Österreich militärisch nicht helfen könne, da man selbst noch mit dem Aufbau des eigenen Heeres beschäftigt sei, wolle aber „helfen, wo man kann“.

Selenskyjs Forderungen: Waffenstillstand, verschleppte Kinder und eingefrorene Gelder

Wolodymyr Selenskyj begann sein Statement mit Beileidsbekundungen für die Opfer des Amoklaufs von Graz und zog Parallelen zum Leid der Ukrainer unter russischen Angriffen. Er bedankte sich für die bisherige Hilfe Österreichs.

Der ukrainische Präsident stellte seine Forderungen klar: Bevor es zu Verhandlungen mit Russland kommen könne, sei ein Waffenstillstand unerlässlich. Da Russland den Krieg nicht beenden wolle, brauche man weiterhin die Unterstützung westlicher Länder, auch von Österreich.

Ein besonderes Anliegen Selenskyjs war die Rückholung der tausenden aus der Ukraine nach Russland verschleppten Kinder. Er hofft auf Österreichs diplomatische Vermittlung: „Dafür ist eine hohe Kunst der Diplomatie notwendig.“ Selenskyj betonte, dass es sich hierbei nicht um einen „Austausch“ handele, denn „Kinder tauscht man nicht aus, man soll sie einfach zurückholen“.

Zudem sei das Einfrieren russischer Aktiva und Vermögenswerte für ihn von großer Bedeutung. Er äußerte die Hoffnung auf österreichische Hilfe sowohl in diesem Bereich als auch beim Wiederaufbau der Ukraine. Abschließend bekräftigte Selenskyj, dass der Krieg enden solle, aber nicht zum Preis „der Unabhängigkeit der Ukraine“.

Besuch löst politische Debatte aus

Der Selenskyj-Besuch in Wien sorgte auch für heftige politische Debatten im Inland. FPÖ-Chef Herbert Kickl kritisierte bereits am Wochenende den Termin der Staatsvisite, der zeitgleich mit der Budgetdebatte im Parlament stattfand, als „Ausweichmanöver“ der Regierung. Auch in der Plenarsitzung am Montagvormittag attackierte der freiheitliche Parteiobmann die Regierung scharf wegen des ukrainischen Staatsbesuchs.

First Lady bleibt länger: Gipfel der Ehepartner in Wien

Während Präsident Selenskyj am Abend nach Kiew zurückflog, wird seine Frau, Olena Selenska, noch länger in Wien verweilen. Auf Einladung von Doris Schmidauer, der Frau des Bundespräsidenten, wird sie am Mittwoch am „First Ladies and Gentlemen Summit“ in der Hofburg teilnehmen. Dieser Gipfel, der seit 2021 auf Initiative von Olena Selenska stattfindet, wird weitere hochrangige Gäste wie Suzanne Innes-Stubb (Ehefrau des finnischen Präsidenten), Ales Musar (Ehemann der slowenischen Präsidentin Natasa Pirc Musar) und Lucrecia Peinando (First Lady Guatemalas) begrüßen.

Der Staatsbesuch Wolodymyr Selenskyjs in Wien war mehr als nur ein diplomatisches Treffen. Er unterstrich Österreichs politisches Engagement für die Ukraine, auch wenn militärische Neutralität beibehalten wird. Die klaren Botschaften Selenskyjs – insbesondere bezüglich eines Waffenstillstands, der Rückholung verschleppter Kinder und eingefrorener Vermögenswerte – stellen Österreich vor die Herausforderung, seine Rolle als Brückenbauer und diplomatischer Vermittler in einem der größten Konflikte unserer Zeit zu festigen. Die wirtschaftlichen Absichtserklärungen zeigen zudem den Willen zur langfristigen Zusammenarbeit im Wiederaufbau. Wien bleibt damit ein wichtiger Knotenpunkt auf der Suche nach einer Friedenslösung für die Ukraine.

Quelle „heute.at

AustriaAktuell.at

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