Während Kanzler Stocker mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Kanzleramt verhandelt, erhitzt der Staatsbesuch die Gemüter im Parlament. Die FPÖ zürnt und bringt eine Dringliche Anfrage ein, die ÖVP hält dagegen.
Wien – Der aktuelle Staatsbesuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Österreich sorgt im Nationalrat für eine hitzige Debatte. Besonders scharfe Kritik kommt von der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), die den Zeitpunkt und die Implikationen des Besuchs infrage stellt. FPÖ-Vize Susanne Fürst brachte dazu eine Dringliche Anfrage an Bundeskanzler Christian Stocker ein.
„Noch mehr Geschenke“? Kickl tobt, Fürst rechnet ab
Die FPÖ fordert detaillierte Auskunft über die Kosten des Besuchs, die anwesenden Persönlichkeiten bei den Gesprächen sowie mögliche weitere Hilfsleistungen für die Ukraine.
FPÖ-Vize Susanne Fürst rechnete in ihrer Stellungnahme im Nationalrat scharf mit der Regierung ab. „Von Montag bis Mittwoch haben wir die Budgetdebatte – eine der wichtigsten Sitzungen der Legislaturperiode“, leitete sie ein. Sie kritisierte, dass Teile der Regierung durch den Staatsbesuch abwesend seien und so von den „zahlreichen Kürzungen“ im Budget ablenken wollten.
Fürst betonte die budgetäre Relevanz des Besuchs, da ein „nicht unbedeutender Teil der Staatskasse“ in die Ukraine „wandere“. Sie monierte, dass kaum ein Cent dieser Milliarden für die Problemlösung verwendet werde, sondern vielmehr in die Verteidigung flössen – „Milliarden, die in der EU und Österreich fehlen“, so Fürst.
Sicherheitspolitische Risiken und „totgetrampelte Neutralität“
Neben der finanziellen Belastung sah Fürst im Besuch auch ein „noch viel größeres“ sicherheitspolitisches Risiko. Anstatt sich „aus dem Krieg herauszuhalten“, habe die Regierung „genau das Gegenteil“ getan. „Der Krieg wurde von Tag eins zu unserem erklärt“, polterte die Freiheitliche und fügte hinzu: „Die Neutralität, wie sie die Regierung verkörpert, schützt uns nicht. […] Die Neutralität wurde von der Regierung totgetrampelt!“
Fürst schloss ihre Ausführungen mit der Warnung, dass man nach drei Jahren nun in einer gefährlichen „Eskalationsstufe“ angelangt sei. Die Dreierkoalition würde dies jedoch nicht bemerken und zum Zeitpunkt der „totalen Eskalation“ den ukrainischen Präsidenten einladen. „Das ist verantwortungslos“, so Fürst abschließend.
Pröll kontert: „Müssen Beitrag leisten!“ – Österreichs Neutralität kein Hindernis
Die Beantwortung der insgesamt 45 Fragen der FPÖ oblag nicht Bundeskanzler Christian Stocker, der zeitgleich mit Selenskyj im Kanzleramt verhandelte. Stattdessen musste Staatssekretär Alexander Pröll (ÖVP) die Anfrage der Freiheitlichen im Nationalrat beantworten.
Pröll betonte zu Beginn seiner Ausführungen unmissverständlich: „Österreich verurteilt den Angriffskrieg Putins scharf.“ Er unterstrich, dass die Ukraine nicht nur ihr eigenes Land, sondern auch die Werte Europas verteidige. „Für uns ist klar, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten einen Beitrag leisten müssen und wollen. Für Frieden braucht es aber beide Seiten. Putin lehnt seit Beginn die Gespräche ab“, führte der Staatssekretär weiter aus.
Er wies eine „Täter-Opfer-Umkehr“ entschieden zurück und bekräftigte, dass die österreichische Neutralität der Unterstützung der Ukraine nicht im Wege stehe.
Wiederaufbau und Wirtschaftskooperation im Fokus
Pröll erklärte, dass der Besuch des Präsidenten auf Grundlage einer seit 2022 bestehenden Einladung erfolge und über „reguläre Dienstwege“ und „etablierte diplomatische Wege“ organisiert wurde. Neben Bundespräsident Alexander Van der Bellen würden auch Bundeskanzler Christian Stocker und weitere Regierungsmitglieder bei dem Treffen anwesend sein.
Im Vordergrund der Gespräche stünden unter anderem der Wiederaufbau der Ukraine und die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Dazu gehöre auch die Unterzeichnung einer politischen Absichtserklärung zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit für den Wiederaufbau der Ukraine. „Ziel ist es, die österreichische Wirtschaft beim Wiederaufbau strategisch zu platzieren“, führte Pröll aus, betonte jedoch, dass es keine finanzielle Vereinbarung geben werde.
Kosten noch unklar, keine weiteren Besuche geplant
Hinsichtlich der Kosten des Besuchs konnte Pröll keine genaue Antwort geben, da die Zuständigkeit beim Außenministerium und der Präsidentschaftskanzlei liege und eine Abrechnung noch nicht vorliege.
Weitere Besuche ukrainischer Politiker in Österreich seien in den nächsten Monaten nicht geplant, ebenso wenig wie Reisen österreichischer Politiker in die Ukraine. „Dies kann aber auch nicht völlig ausgeschlossen werden“, so Staatssekretär Pröll abschließend.
Eine Debatte, die Österreichs Rolle in Europa unterstreicht
Der Staatsbesuch von Präsident Selenskyj hat nicht nur diplomatische Kanäle geöffnet, sondern auch eine grundsätzliche Debatte über Österreichs Rolle im Ukraine-Krieg und die Auslegung seiner Neutralität entfacht. Während die FPÖ vor Eskalation und finanzieller Belastung warnt, betont die Regierung die europäische Solidarität und die Notwendigkeit, im Rahmen der Möglichkeiten einen Beitrag zu leisten. Die kommenden Wochen werden zeigen, welche konkreten Ergebnisse die Gespräche zwischen Stocker und Selenskyj erzielen und wie sich die innenpolitische Debatte weiterentwickelt.
Quelle „heute.at“