Massiver Kniefall vor der Wirtschaft
Das EU-Parlament in Brüssel hat eine beispiellose Kehrtwende vollzogen: Das geplante EU-Lieferkettengesetz, einst als Meilenstein für Menschenrechte und Umweltschutz konzipiert, wurde massiv entschärft. Mit den Stimmen der Konservativen und Rechtsaußen wurde das Gesetz so stark verwässert, dass Kritiker von einer „leeren Hülle“ sprechen.
Wer haftet jetzt? Weniger Firmen im Fokus
Die ursprüngliche Vision, Großunternehmen für Verfehlungen entlang ihrer gesamten Lieferketten in die Pflicht zu nehmen, ist Geschichte. Die Schwelle für die Berichts- und Sorgfaltspflichten wurde drastisch angehoben. Statt Firmen ab 1.000 Mitarbeitern und 450 Millionen Euro Umsatz sind nun erst Unternehmen ab 5.000 Beschäftigten und 1,5 Milliarden Euro Jahresumsatz betroffen. Dies reduziert die Zahl der erfassten Firmen signifikant und kommt dem Wunsch vieler EU-Staaten entgegen.
Fokus auf „Hochrisiko-Zulieferer“
Eine weitere zentrale Änderung betrifft den Umfang der Prüfung: Unternehmen müssen künftig nicht mehr die gesamte Kette durchleuchten, sondern sich auf sogenannte „Hochrisiko-Zulieferer“ beschränken. Schlimmer noch für potenzielle Opfer: Die EU-weite Haftung fällt weg. Ob Opfer von Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden künftig Gerechtigkeit erfahren, hängt damit vom jeweiligen Wohnort ab.
ÖVP und FPÖ feiern „Sieg gegen Bürokratie“
In Österreich wird die Reform in Teilen bejubelt: Lukas Mandl (ÖVP) sieht in den Lockerungen einen „Sieg gegen Bürokratie“ und fordert „mehr Freiheit nach innen“ für Europa. Auch die FPÖ zeigt sich hochzufrieden. Der freiheitliche EU-Abgeordnete Roman Haider bezeichnete das ursprüngliche Vorhaben als „bürokratisches Monstrum“ und spricht nun vom „Ende der Bürokratielawine“.
Scharfe Kritik von SPÖ und Grünen
Die Freude der einen ist der Zorn der anderen. Die Oppositionsparteien SPÖ und Grüne sehen im Beschluss ein verheerendes Signal. Die sozialdemokratische EU-Abgeordnete Evelyn Regner stuft das Gesetz als „inhaltsleer“ ein.
Am schärfsten fällt die Kritik von Lena Schilling (Grüne) aus, die vom „Scheitern eines Meilensteins“ spricht. Sie wirft der EVP (der konservativen Fraktion, zu der auch die ÖVP gehört) vor, durch den Schulterschluss mit den Rechtsaußenparteien – den sie als „Bruch der Brandmauer“ bezeichnet – „Kinderarbeit und Umweltzerstörung“ zu dulden.
Das EU-Lieferkettengesetz ist im EU-Parlament einem beispiellosen Lobby-Druck zum Opfer gefallen. Die massiven Lockerungen untergraben die Kernidee des Gesetzes, internationale Konzerne zur Rechenschaft zu ziehen. Es bleibt nun abzuwarten, ob in den anstehenden Verhandlungen mit den EU-Staaten der „leeren Hülle“ noch Substanz verliehen werden kann. Ein Abschluss wird noch für dieses Jahr erwartet.
Quelle „heute.at“
Ihr Schutzengel in der Lieferkette wurde beurlaubt.
